Die Angst ist all­ge­gen­wär­tig

Drei­fa­che Mut­ter hat mit ge­walt­tä­ti­gem Ex­mann und Krank­heit zu kämp­fen

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Maria K.s Tochter leidet schwer unter den Misshandlungen. (Symbolfoto: Nicolas Armer/dpa)

Von Anna Kolbinger

Seit vier Jahren bestimmt Angst Maria K.s Leben (Name von der Redaktion geändert). Damals hat sie einen Schlussstrich gezogen und sich vom Vater ihres nun siebenjährigen Sohnes scheiden lassen. Seitdem befürchtet sie, dass ihr gewalttätiger Exmann zurückkommt, seine vielen Drohungen wahr macht und ihr und ihren Kindern etwas antut.

Vor allem Maria K.s mittlere Tochter, damals etwa fünf Jahre alt, wurde von ihrem Exmann misshandelt. Die ältere Tochter, damals elf, und der dreijährige Sohn bleiben weitgehend verschont. „Es war vor allem seelische Gewalt“, erinnert sich Maria K. Wegen Nichtigkeiten zwang er das Mädchen, stundenlang bewegungslos im Bett zu sitzen. Durch die seelische Belastung sei die Fünfjährige wieder zur Bettnässerin geworden. Bekam Maria K.s Exmann das mit, musste das Mädchen stundenlang mit der nassen Unterhose auf dem Kopf herumlaufen. Die Erinnerung daran treibt Maria K. Tränen in die Augen. Die Misshandlungen seien immer schlimmer geworden – bis er eines Tages eines ihrer Kinder gewürgt hat. Das war für Maria K. der Auslöser, sich von ihrem damaligen Mann scheiden zu lassen. „Ich habe mir gedacht, dieses Mal würgt er mein Kind nur, das nächste Mal bringt er es um“, sagt sie stockend.


Doch mit der Trennung beginnt erst das, was Maria K. „schlimmer als die Hölle“ nennt. Mehrmals droht er an, sie und ihre Kinder umbringen zu lassen, das sei für ihn kein Problem, er habe Kontakte zur Mafia. Er kündigte an, ihr Haus anzuzünden, ihr ihre Kinder über das Jugendamt wegnehmen zu lassen und ihren Sohn zu entführen. Bei jedem Geräusch schrickt sie auf und befürchtet, dass ihr Exmann zurückkommt. „Ich hatte vor jeder Tür ein Pfefferspray, ein Messer oder eine Axt liegen“, sagt sie. Um sich wehren zu können, wenn es sein muss.


Ein paar Mal sei er noch zu ihr nach Hause gekommen. Bei einem Besuch reißt er ihr ihren Sohn aus den Händen und fährt mit ihm davon. Maria K. steht schreckliche Ängste aus. Doch er kommt nach ein paar Stunden wieder zurück und bringt ihr ihren Sohn zurück. Übers Handy bedroht er die dreifache Mutter. Als sie seine Nummer blockiert, versucht er es über seine Lebensgefährtin. Maria K. schaltet einen Anwalt ein – seit dem herrscht fast Ruhe.


Zurück bleiben tiefe seelische Wunden. Und Angst. Die ist allgegenwärtig. An manchen Tagen gerät sie in ihrem ruhig gelegenen Haus bei jedem Geräusch in Panik. Das Auto von K.s Nachbar klingt wie das ihres Exmannes. „Wenn ich das höre, bekomme ich Herzrasen“, erzählt sie. Besonders schlimm war es kurz nach ihrer Scheidung. Im gleichen Jahr verunglückt ihr Vater tödlich. Sie fällt in ein tiefes Loch. „Ich habe mich total verkrochen“, sagt sie. Maria K. verlässt kaum noch ihr Haus, bricht soziale Kontakte ab.


Einem Wunsch ihrer Tochter hat sie es zu verdanken, dass sie nicht immer tiefer in die Depression rutscht. Weil diese sich ein Keyboard wünscht, fährt Maria K. zum Gebrauchtwarenhaus Hab & Gut der Diakonie Landshut. Sie kommt mit einer Mitarbeiterin ins Gespräch und beschließt schließlich, dass sie dort ehrenamtlich arbeiten möchte. Das tut ihr gut. „Die Arbeit hat mich aus meinem Loch herausgeholt“, sagt sie. Nun besucht sie wieder Freunde und hat wieder mit dem Schießsport angefangen. Wenn ihr zu Hause die Decke auf dem Kopf fällt, fährt sie in die Arbeit. Fast täglich ist sie hier anzutreffen. Doch als Festangestellte kann sie dort nicht arbeiten. Sie hat es versucht, für sechs Stunden in der Woche, doch sie sei mit dem Druck nicht fertig geworden. Bis heute sind Maria K. und ihre Kinder in Therapie, um diese Erlebnisse zu verarbeiten. Ihr großer Wunsch ist es, wieder als Krankenschwester arbeiten zu können. „Ich war ein richtiger Workaholic“, sagt sie. Doch das geht noch nicht. Sie sei viel zu labil, sagt sie selber. „Bis ich das schaffe, muss sich noch viel ändern, sehr viel.“
Damit meint sie nicht nur ihre Psyche. Seit 2012 leidet sie an einer aggressiven Form von Rheuma mit Schuppenflechte (aggressive Psoriasis Arthritis mit Gelenkbeteiligung). In der ersten Zeit kann sie sich kaum noch bewegen, sie wird bettlägerig. Ihre damals elfjährige Tochter kümmert sich um ihren neugeborenen Sohn, erledigt die Hausarbeit und kocht, da Maria K.s Exmann keine Hilfe ist. Erst nach einigen Arztwechseln bekommt sie Medikamente – die bedingt helfen. Maria K. kann sich wieder bewegen. Seit zwei Jahren hat sie außerdem sehr stark mit Nesselsucht zu kämpfen – bisher haben die Ärzte dafür keinen Auslöser gefunden.


Da Maria K. nicht arbeiten kann, leben die alleinerziehende Mutter und ihre drei Kinder von ihrer Erwerbsminderungsrente und dem Unterhalt für ihre Kinder. Damit könnten sie zwar „normal“ leben, sagt Maria K., doch fehlt das Geld für dringend notwendige Renovierungen in ihrem Haus. Bevor sie krank wurde, hat Maria K. ein „Messi-Haus“ gekauft, das sie für sich und ihre Familie schön herrichten wollte. Am dringendsten benötigt sie Zimmertüren. Zum Teil seien diese kaputt oder fehlen komplett. In manchen Räumen hat sie sich mit Decken als Türersatz beholfen, sodass die Wärme in den Zimmern bleibt. Auch eine neue Haustür wünscht sie sich, da die alte nicht richtig dicht ist und so vor allem in den kalten Wintermonaten viel Wärme verlorengeht. Durch die Weihnachtsaktion „Freude durch Helfen“ bekommt sie dafür finanzielle Unterstützung.