„Oft hilft schon ein offenes Ohr“

Deutschunterricht, Mutter-Kind-Gruppe oder ein Ausflug in den Zoo: Wie ehrenamtliche Helfer in der Flüchtlingsunterkunft in Bad Kötzting zur gelungenen Integration beitragen
 
Von Doris Zitzelsberger
 
Bad Kötzting. In Äthiopien gehören Christbäume nicht traditionell zum Weihnachtsfest. Die fünfjährige Ruth, die mit ihrer Mutter aus Afrika nach Deutschland gekommen ist, malt dennoch konzentriert einen Tannenbaum, der mit dicken, bunten Kugeln geschmückt ist. Das Mädchen neben ihr bastelt währenddessen eine Biene Maja. Aus quietschgelbem Tonpapier schneidet es einen Kreis für das Gesicht aus, mit rotem Filzstift folgt ein breites Grinsen. Fertig.
 
Gelacht wird an diesem Nachmittage viel: Jeden Mittwoch trifft sich in der Flüchtlingsunterkunft in Bad Kötzting (Landkreis Cham) eine Mutter-Kind-Gruppe, betreut von fünf Frauen aus der Region. Ein Teil spielt mit den Kleinen, der andere verbringt Zeit mit den Müttern – beim Häkeln, Stricken oder auch einfach nur beim Kaffeetrinken.
 
„Integration beginnt mit solchen Unternehmungen“
 
„Manche Frauen würden sich sonst gar nicht allein aus ihrem Zimmer trauen“, sagt Brigitte Ertl, die seit rund zehn Jahren den ehrenamtlichen Helferkreis in der Flüchtlingsunterkunft koordiniert, „bei unseren Treffen kommen sie miteinander ins Gespräch.“ Das fördert das Selbstvertrauen – ebenso wie ein lobendes Wort, zum Beispiel, wenn eine Handarbeit besonders gelungen ist.
 
„Integration beginnt mit solchen gemeinsamen Unternehmungen“, weiß Ertl, „oft hilft es schon, einfach nur Zeit miteinander zu verbringen und ein offenes Ohr für den anderen zu haben“.
 
2015 wurde das ehemalige Krankenhaus in Bad Kötzting in eine Unterkunft für Flüchtlinge und Asylsuchende umfunktioniert. Damals kamen 100 Leute aus zehn Nationen in die Pfingstrittstadt. 60 ehrenamtliche Helfer erklärten sich spontan bereit, unbürokratisch dort mit anzupacken, wo Hilfe benötigt wird.
 
Die damals 65-jährige Ertl leitet seitdem die Gruppe. Entsprechende Erfahrungen sammelte sie in ihrem früheren Berufsleben, als sie eine ähnliche Tätigkeit für die Regierung der Oberpfalz ausübte. Mittlerweile leben etwa 290 Flüchtlinge in der Unterkunft. Im Gegensatz dazu ist seit der Corona-Pandemie der Helferkreis auf 15 Frauen und Männer im Alter von 40 bis 75 Jahren geschrumpft. Zusätzlich zur Mutter-Kind-Gruppe ermöglicht dieser harte Kern einen Unterricht für „Gebrauchsdeutsch“, wie Ertl es formuliert. „Einfache Redewendungen für den Einkauf oder Arztbesuch.“ Drei pensionierte Lehrer und ein Kinderarzt im Ruhestand wechseln sich beim Unterricht ab, der montags bis freitags je eineinhalb Stunden lang direkt in der Unterkunft angeboten wird. „Bei uns lernen die Flüchtlinge die ersten deutschen Wörter und Sätze, bis die bürokratischen Hürden genommen sind und sie den offiziellen Deutschkurs besuchen können.
 
Ertl, eine ausgebildete Arzthelferin, ist schon ihr Leben lang ehrenamtlich tätig: „Für mich ist es völlig normal, zu helfen und nicht wegzusehen, wenn es jemandem schlecht geht“, sagt sie. Und man bekomme auch viel zurück. „Wenn ein Kind schon von weitem deinen Namen ruft, dich anstrahlt oder dir um den Hals fällt, dann wird dir bewusst, dass diese Arbeit nicht umsonst ist.
 
Ein- bis zweimal im Jahr organisiert die Truppe einen Bus, um Ausflüge zum Beispiel in den Straubinger Tierpark oder nach Lohberg zu ermöglichen. Für solche Unternehmungen oder auch für Bastel- und Spielaktionen ist der Helferkreis auf Spenden angewiesen.