Nach einer Krebserkrankung wurde Rosa P. obdachlos und verlor ihre Zuversicht
Von Rita Neumaier
Landshut.
Rosa P. wirkt verzweifelt. Das Kinn der zierlichen Frau mit der langen Lockenmähne umgibt ein schmerzhafter Zug. Es sieht aus, als würde sie ihr Gesicht am liebsten verstecken. Die aparte Italienerin findet sich selbst unattraktiv. Dabei bräuchte die 54-Jährige nur neue Zähne. Besser gesagt: Ihr ganzer Kiefer müsste neu aufgebaut werden.
„Da drin ist alles kaputt“, sagt sie und deutet auf den Mund in ihrem schmalen Gesicht. Eine Krebserkrankung hat ihren Kieferknochen zerfressen, der durch eine Metallplatte ersetzt wurde. Die Zähne im Unterkiefer gingen ebenfalls verloren, und der eingesetzte Zahnersatz wurde zum dauerhaften Provisorium, das ihr mittlerweile beständig Schmerzen verursacht.
„Eine neue Operation wäre nötig“, bestätigt Claudia de Jong, die Rosa P. bei der Berberhilfe betreut. Denn ihre Krebserkrankung, die inzwischen eingedämmt werden konnte, war nicht das Einzige, was sie bisher durchmachen musste. Immer wieder wurde sie obdachlos. „Ich hatte kein schönes Leben“, sagt die Italienerin, die sehr gut Deutsch spricht. Schon in ihrer Jugend in Sizilien habe sie es nicht leicht gehabt. Aufgewachsen mit zwei Geschwistern, wurde sie als Jüngste immer irgendwo herumgereicht, weil die Eltern beide lange arbeiteten. Nach der Schule begann sie selbst zu arbeiten, machte eine Ausbildung als Kellnerin und arbeitete sich hoch bis zur stellvertretenden Leiterin eines Hotels. Dann wurde sie mit der Aussicht auf einen besser bezahlten Arbeitsplatz nach Deutschland gelockt. Sie habe „ein Papier unterschrieben“, von dem sie annahm, es sei ein richtiger Arbeitsvertrag gewesen, sagt sie. Doch in Deutschland landete sie völlig ohne Sprachkenntnisse in einer Eisdiele, wo sie 14 Stunden am Tag für einen geringen Lohn arbeiten und sich eine Unterkunft mit vielen anderen teilen musste.
Auswegsuche in der Ehe scheiterte
Einen Ausweg sah sie in der Ehe mit einem deutschen Mann, mit dem sie zwei Kinder bekam. Ein weiteres Kind, das sie bei ihren Eltern lassen musste, hatte sie bereits in Sizilien bekommen. Zehn Jahre lang habe sie ein gutes, wenn auch arbeitsreiches Leben geführt, erzählt Rosa P. Sie meldete ein Gewerbe an, mit dem sie online selbst entworfenen Perlenschmuck verkaufte, pflegte ihre Schwiegermutter und kümmerte sich um ihre Familie. Bis sie entdeckte, dass ihr Mann sie mit einer anderen Frau betrog. Nach weiteren schockierenden Erkenntnissen habe sie nicht mehr mit ihm zusammenleben können, sagt sie. Mit ihren Kindern versuchte sie, sich ein neues Leben aufzubauen, was schwer gewesen sei, weil ihr Mann, von dem sie sich schließlich scheiden ließ, ihr nichts gelassen habe. Eine weitere Beziehung mit einem wesentlich älteren Partner scheiterte daran, dass er sie geschlagen habe – schließlich so, dass sie im Krankenhaus aufgewacht sei.
Immer wieder versuchte Rosa P. auf die Füße zu kommen. Sie fand eine neue Wohnung, arbeitete weiter, betreute ihre drei Kinder, denn auch das Älteste war aus Sizilien zur Familie mit ihrem Ex-Mann gekommen. „Dann kam der Krebs“, sagt sie und kämpft mit den Tränen. Nach der Operation sei sie ins Koma gefallen und erst viel später wieder aufgewacht. „Da dachten alle, ich sei tot“, erzählt sie und berichtet, wie schockiert ihre Mutter gewesen sei, als sie in Italien angerufen habe, nachdem man ihr mitgeteilt habe, dass die Tochter gestorben sei.Nach der Operation fand Rosa P. sich entstellt. Doch viel schwerer wog die Erkenntnis, dass ihre Arbeitstelle gekündigt und ihre Wohnung aufgelöst worden war. Ihr sei lediglich gesagt worden, dass ihre Sachen eingelagert wurden, doch nichts davon sei mehr auffindbar gewesen. Die angegebene Adresse gebe es gar nicht, habe man ihr bei der Polizei gesagt. „Ich hatte nichts mehr, als ich aus dem Krankenhaus entlassen wurde“, sagt sie. Sie habe dann überall geschlafen und versucht, wieder unterzukommen. Dann habe es weitere Schwierigkeiten gegeben, mit Behörden und Versicherungen, die Forderungen an sie gestellt hätten. „Da habe ich einfach aufgegeben, weil ich nicht mehr konnte.“
Der Kontakt zu ihrer Familie sei inzwischen weitgehend abgerissen, sie habe fast niemanden mehr. In Landshut fand sie mit Unterstützung der Berberhilfe ein Pensionszimmer, das vom Jobcenter bezahlt wird. Sie würde gerne wieder arbeiten, sagt Rosa P., doch weil sie wegen ihrer Schmerzen immer wieder ausfalle, finde sie keinen Job. „Essen tut weh, deshalb nehme ich oft tagelang nichts zu mir“, sagt sie.
Claudia de Jong von der Berberhilfe hat in Erfahrung gebracht, dass der Kieferaufbau bei Rosa P. im Münchner Krankenhaus Rechts der Isar erfolgen könnte. Die Krankenkasse zahlt jedoch nur einen Teil davon, Prothesen müsste P. selbst bezahlen. Dazu ist sie jedoch nicht in der Lage.
Mit einer Spende aus Freude durch Helfen könnte die Berberhilfe zum Selbstkostenanteil der Operation beitragen und Rosa P. damit wieder zu mehr Selbstbewusstsein und Lebensfreude verhelfen. „Und mit einem Halbtagsjob, der ihrem Leben Struktur verleiht, wäre ihr wohl auch sehr geholfen“, sagt Claudia de Jong.