Förderverein der Kinderklinik Kraki unterstützt Anschaffung der besonderen Notfallhelfer
Von Angelika Gabor
Deggendorf.
Der Alarm schrillt durch den Raum. Auf dem Überwachungsmonitor jagt ein roter Balken den nächsten. In der Neonatologischen Intensivstation des Donau-Isar-Klinikums Deggendorf schlägt der Puls der Maschinen schneller – und plötzlich auch der der Menschen im Zimmer. Paul liegt in seinem winzigen Bettchen, eingehüllt in Kabel, Schläuche und die gedämpfte Wärme des Inkubators. Zwölf Wochen zu früh ist er zur Welt gekommen, ein Baby, kaum größer als eine Hand.
Und nun laufen die Anzeigen aus dem Ruder: Sein Gesicht verfärbt sich blau, die Sauerstoffsättigung stürzt ab, der Blutdruck fällt. In diesem Moment hat jede Bewegung Gewicht. Jede Sekunde zählt.
Ärzte und Pflegekräfte treten ans Bett – ruhig, konzentriert, aber mit einer Präsenz, die die Ernsthaftigkeit der Situation spürbar macht. Routiniert, fast wie ein eingespieltes Orchester, greifen sie ineinander: Beatmung einleiten, Atemwege sichern, die Magensonde setzen, einen Zugang legen. Hände schieben sich wortlos aneinander vorbei, jeder weiß, was zu tun ist. Medikamente werden aufgezogen, kontrolliert und gezielt verabreicht. Es ist ein Tanz zwischen Technik, Wissen und Fingerspitzengefühl – ein Tanz, bei dem kein Fehltritt erlaubt ist.
Vierzehn Minuten vergehen, in denen die Anspannung messerscharf im Raum steht. Dann – ein leichtes Aufatmen. Die Zahlen am Monitor stabilisieren sich. Paul ist über den Berg.
Doch Paul ist kein echtes Baby.
Er ist eine hochentwickelte, realistisch reagierende Simulationspuppe, ein medizinisches Wunderwerk, das dem kleinsten Patienten dieser Welt nachgebildet ist. Das Team um Oberarzt Dr. Christian Bartlsperger trainiert an ihm jene Situationen, die im echten Leben jederzeit auftreten können – und leider viel zu oft auftreten.
Frühgeborene auf dem Vormarsch
Die Zahl der Frühgeburten ist in den vergangenen Jahren deutlich gestiegen. Im Donau-Isar-Klinikum Deggendorf liegt der Anteil inzwischen bei 25 Prozent aller Geburten – jedes vierte Kind kommt also zu früh. Und genau diese Babys, die einen so holprigen und ungewollt frühen Start ins Leben haben, stellen die Neonatologie vor enorme Herausforderungen.
Bei Frühgeborenen sind es vor allem Atmung, Herz-Kreislauf-System und Magen-Darm-Trakt, die immer wieder zu akuten Notfallsituationen führen. Oft ohne Vorwarnung und oft mit dramatischen Verläufen. Minuten entscheiden über Stabilität, Stunden über den weiteren Verlauf, manchmal Sekunden über Leben und Tod. In solchen Momenten muss das medizinische Personal nicht nur fachlich perfekt sein. Es braucht Ruhe, keine Unsicherheit, kein Zögern, kein Zittern. Um im Ernstfall reflexartig richtig zu handeln, müssen Ärzte und Pflegekräfte regelmäßig trainieren – realistisch, wiederholbar und unter denselben Bedingungen, die im Notfall herrschen. Dafür gibt es Paul.
Die Simulationspuppe – das Herzstück modernster Trainingsmethoden – kann Atmung, Puls, Bewegungen und Komplikationen täuschend echt imitieren. Sie reagiert in Echtzeit auf medizinische Maßnahmen. Sie macht Fehler sichtbar. Sie trainiert Handgriffe, Kommunikation und Krisenmanagement bis zur Perfektion. Eine Anschaffung, die allerdings im mittleren fünfstelligen Bereich liegt. Doch Dr. Bartlsperger wusste: Ohne Paul fehlt ein entscheidender Baustein, um die Versorgung von Frühgeborenen weiter zu verbessern. Deshalb wandte er sich an den Förderverein Kraki, der Kinder und Jugendliche im medizinischen Notfall seit Jahren unterstützt.
Die Antwort fiel der Vorstandschaft nicht schwer: „Ja – wir helfen“, darin waren sich Hela Schandlmeier und Fritz Gößwein einig. Wie immer, wenn es um die Kleinsten geht.
Ein stiller Held für die Allerkleinsten
So ist Paul nun Teil des Teams. Ein stiller Held, der keine Worte braucht, um zu wirken. Durch ihn können künftig Frühchen schneller, präziser und sicherer versorgt werden. Durch ihn gewinnen Ärzte und Pflegekräfte Routine, Selbstvertrauen und Handlungssicherheit – alles Qualitäten, die im Ernstfall Leben retten.Und auch wenn Paul kein echtes Baby ist, trägt er doch etwas zutiefst Menschliches in sich: Er schenkt Sicherheit. Für jene kleinen Kämpfer, die viel zu früh auf diese Welt kommen – und deren erstes Lebenskapitel oft ein Kampf ums Überleben ist. „Dank Paul wird dieser Kampf ein Stück weniger gefährlich“, da sind sich die Verantwortlichen bei Kraki sicher. „Dank Paul beginnt für viele Frühgeborene ein Leben, das ihnen ohne ihn vielleicht verwehrt geblieben wäre.“