Benjamin Qual hat Multiple Sklerose. Ein elektrischer Rollstuhl würde ihm das Leben erleichtern – und auch eine behindertengerechte Wohnung
Von Rita Neumaier
Landshut.
Im Leben von Benjamin Qual ist es lange bergauf gegangen. Als Fachkraft für Lagerlogistik bei einem Landshuter Unternehmen wurde er Schichtführer, Anlagenwart und Sicherheitsbeauftragter und verdiente gut genug, um seiner Frau und drei Kindern ein Leben im Haus mit Garten zu ermöglichen. Doch fast zeitgleich mit einer sich anbahnenden Ehekrise begann ihn sein Rücken zu quälen. Wegen eines Bandscheibenschadens fiel er beruflich längere Zeit aus. In seiner Firma wechselte die Abteilungsleitung und während ihm sei früherer Chef die Stange gehalten hätte, wurde ihm nun wegen seiner gesundheitlich bedingten Ausfälle gekündigt. „Ich hatte noch einen ganzen Jahresurlaub und 300 Überstunden, aber das wurde nicht anerkannt“, erzählt er.
Seine Ehe wurde schließlich geschieden; Benjamin Qual musste ausziehen. Der Landshuter hatte eine Zeitlang keinen festen Wohnsitz und kam bei Freunden unter. Als Staplerfahrer und Lagerist versuchte er, beruflich wieder Fuß zu fassen, über Jobs bei einer Zeitarbeitsfirma. Als er wieder Hoffnung auf eine Festanstellung schöpfen konnte, bekam er 2021 eine niederschmetternde Diagnose: Der 43-Jährige leidet unter einer sogenannten primär-progredienten Form der Autoimmunkrankheit Multiple Sklerose. „Mein größter Wunsch wäre, dass meine Beine wieder funktionieren“, sagt Benjamin Qual und lächelt. Er weiß, wie illusorisch das ist: „MS ist nicht heilbar.“
Dabei hatte er gehofft, nach der Bandscheibenoperation wieder aufs Mountainbike steigen zu können. „Jetzt wäre ich froh, wenn ich ein paar Schritte machen könnte, ohne mich irgendwo festhalten zu müssen.“ Die enge, finstere Kellerwohnung, in der er seit acht Jahren lebt, ist jedoch alles andere als behindertengerecht. Qual würde gerne umziehen in eine barrierefreie Wohnung, nach der er seit langem sucht. Seine Rente ermöglicht dem Erwerbsunfähigen ein bescheidenes Dasein, doch das größte Hindernis für Vermieter sei bisher wohl sein Haustier gewesen, vermutet er: Hündin Sheila begleitet ihn seit 13 Jahren, „no way, dass sich unsere Wege scheiden.“ Seine Wohnung ist aufgeräumt, so gut es geht, dabei bekomme er Hilfe von einem Freund sagt er. „Ganz alloa werd’s zach.“
Sein Befinden ist eine ständige Berg- und Talfahrt
Fotos in seiner Wohnung zeigen ihn als jungen Familienvater braun gebrannt und kernig von Gestalt mit seinen Töchtern. Früher habe er sich auch mal als Gitarrist in einer Garagen-Punk-Band versucht, sagt der Punk-, Rock- und Reggae-Fan. Auf einem Konzert oder Festival war er aber schon lange nicht mehr. „Zum Glück habe ich einen tollen Freundeskreis“, sagt er. Sein soziales Umfeld ist ihm sehr wichtig, auch wenn ihm das mit der MS hervorgehende Fatigue-Syndrom oft die Energie für Geselligkeit raubt. „Dann fühlt man sich für alles zu schwach.“ Sein Zustand sei eine ständige Berg- und Talfahrt, aber er habe gelernt, damit umzugehen. „Kognitiv funktioniere ich noch gut“, sagt er. Seine Krankheit ist dem hageren Mann anzumerken, doch er hat sein Schicksal akzeptiert und versucht dennoch, am Leben teilzunehmen: „Ich muss mich nicht verstecken und will so mobil sein wie möglich.“ Bewegung halte ihn am Leben.
Benjamin Qual sagt, er habe noch nie den Kopf in den Sand gesteckt. Er ernährt sich gesund, trainiert täglich an einer kleinen Sprossenwand oder mit dem Theraband seine verkrampften Muskeln. Aber ohne fremde Hilfe gelingen ihm viele alltägliche Verrichtungen nicht mehr. Derzeit bemüht er sich um die Anerkennung von Pflegestufe 2 – und um einen elektrischen Rollstuhl. Denn mit einem solchen könnte er den Weg aus seiner Wohnung bewältigen, für den er sonst jemanden braucht, der ihn schiebt. Zweimal in der Woche sucht er nach Möglichkeit die Landshuter Berberhilfe in der Wittstraße auf. „Da komme ich unter die Leute“, sagt er, und Astrid Kindsmüller, die Vorsitzende der Berberhilfe, kenne er gut.
Das Nahziel ist für den MS-kranken Benjamin Qual ein elektrischer Rollstuhl, der ihm das Leben sehr erleichtern würde. „Und vielleicht gibt es ja doch eine geeignete kleine Wohnung für mich und meinen Hund“, hofft er.