In Würde den letzten Weg gehen

Elisabeth Haimerl, Fachärztin für Anästhesie, Notfall- und Palliativmedizin, leitet den Palliativmedizinischen Dienst. Foto: Bianca-Pia Roy

Seit fünf Jahren begleitet der Palliativmedizinische Dienst in Mainburg Patienten und Pflegepersonal

Von Bianca-Pia Roy

Mainburg. „Was können wir noch Gutes tun?“ lautet die Frage, die sich Elisabeth Haimerl, Fachärztin für Anästhesie, Notfall- und Palliativmedizin und ihr multiprofessionelles Team vom Palliativmedizinischen Dienst (PMD) stellen, wenn sie sich um schwer erkrankte Patienten kümmern. Seit fünf Jahren betreut der Dienst an der Ilmtalklinik in Mainburg und Pfaffenhofen, nicht nur ihre letzten Stunden, sondern oft ab der Diagnosestellung.

„Als Konsiliardienst werden wir hinzu gerufen, wenn eine unheilbare Erkrankung im Raum steht“, erklärt Haimerl. Zu 80 Prozent werde der PMD bei Krebspatienten konsultiert. „Es muss immer eine schwere Symptomlast vorliegen“, bringt sie die Fälle auf einen Nenner. Bei den meisten seien die Therapiemöglichkeiten ausgereizt.

Es sei ein fließender Übergang von der Hoffnung auf neue Therapieansätze und der Unmöglichkeit, das Blatt zu wenden: „Der Tod ist für viele ein Tabuthema. Wir haben die Erfahrung, damit respektvoll aber ehrlich umzugehen“, spricht die Palliativärztin für ihr Team. Glücklicherweise hätten immer mehr ältere Patienten Verfügungen und Vollmachten, was den Behandlungsweg für Ärzte klarer mache und Angehörigen die Entscheidungslast abnehme.

„Manche können bei fortgeschrittenem Brustkrebs noch fit sein. Doch plötzlich lagert sich Wasser ein, die Patienten werden immer schwächer, sodass es zu Hause nicht mehr geht und sie ins Krankenhaus kommen“, beschreibt Haimerl einen der Fälle, von denen kaum einer dem anderen gleicht. „Viele kämpfen lange und sind am Ende einfach zu schwach.“ Für manche kommt der Tod als Erlösung, andere würden mitten aus dem Leben gerissen. Rund 120 Patienten betreut das Team pro Jahr, bei etwa hundert weiteren Fällen würden sie beratend hinzugezogen.

Angehörige sind oft mit der Situation überfordert

„Die Leute, die mit schweren Symptomen wie Atemnot oder starken Schmerzen zu uns ins Krankenhaus kommen, die haben ja etwas“, sagt Elisabeth Haimerl. Der PMD ist unter anderem Bindeglied zwischen Pflegeteams, Hausärzten, Palliativstationen und Hospizen. Aufgrund der Erfahrung unterstützt der Dienst bei Entscheidungen zu Therapiezielen und bei der Auseinandersetzung mit der unheilbaren Erkrankung.

Die Angehörigen, die oft mit der Situation überfordert seien, werden miteinbezogen und wie die Patienten über Optionen informiert, Schmerzmittel werden entsprechend angepasst. Auch die Assistenzärzte seien froh über die fachliche Unterstützung. „Wenn der Dienst dazu gezogen wird, heißt es nicht sofort, dass es vorbei ist – wir zeigen auch Alternativen auf“, sagt Tanja Räker, die als gelernte Gesundheits- und Krankenpflegerin in der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit der Ilmtalklinik über den Einsatz informiert: „Der Unterschied zwischen dem palliativmedizinischen Dienst und einem Hospiz ist, dass es dort dem Ende zugeht. Nicht immer müssen die Symptome akut sein – im Krankenhaus jedoch schon.“

Die Patienten bleiben etwa zwei bis drei Wochen auf der Station – „dann schauen wir, wie es weitergeht“, so Haimerl. Besonderen Wert legt der PMD auf die psychosoziale Begleitung der Patienten. Wünsche und Bedürfnisse stehen im Mittelpunkt: So konnte das Team in Zusammenarbeit mit dem Münchener Wunschmobil einem ehemaligen Hopfenbauern seinen Herzenswunsch erfüllen und ihm eine letzten „Spazierfahrt“ durch seine Hopfengärten ermöglichen. Kurz darauf starb der Mann. Ein anderer Patient wollte eine letzte Grillparty, andere wollen einfach nur noch einmal nach Hause, um dort sterben zu dürfen, was nicht funktioniert, wenn ein sicherer Heimtransport nicht mehr möglich ist und der Patient im Rettungswagen sterben könnte.

Letzte Wünsche sind sehr individuell

Die letzten Wünsche der Patienten seien individuell, manche hätten auch gar keine. „Wir versuchen alles, damit der Patient in Würde gehen kann“, sagt Haimerl. „Nun geben Sie mir doch endlich die Spritze“, hatte mich ein Patient angefleht, erinnert sich die Ärztin. Auch das komme vor. „Ich antwortete ihm, dass ich kein Veterinärmediziner bin“, denn assistierter Suizid wie die aktive Sterbehilfe in der Fachsprache heißt, fällt nicht in den Bereich des PMD. Er begleitet nur die letzte Reise und schöpft aus allen Möglichkeiten, um die Symptome der Krankheit zu lindern.

Aus dem eigenen Spendentopf der Ilmtalklinik entnimmt der palliativmedizinische Dienst, der regulär an den Haushalt der Klinik angeschlossen ist, Geld für besondere Dinge, die die letzten Tage für die Patienten und Angehörigen so angenehm und würdevoll wie möglich machen. „Wir besorgen beispielsweise ätherische Öle für Aromatherapien oder Massagen und Klangschalen. Dann gibt es ,Herz-in-Herz-Geschenke aus Holz für die Hinterbliebenen als kleine Geste für den Abschied“, zählt Elisabeth Haimerl auf. „Viele Patienten wünschen sich auch Musik, die sie die letzten Tage begleitet.“