Wieder ein normales Leben führen

Nach Krankenhausaufenthalt soll ein Regensburger 3000 Euro zahlen. Geld, das er nicht hat

An der Tasse läuft Kaffee hinunter. Andreas Müller (Name von der Redaktion geändert) hat seit des Eingriffs starke Schwierigkeiten beim Trinken. Foto: Julia Muck

Von Julia Muck

Regensburg. 

„Ich fühle mich machtlos“, sagt Andreas Müller (Name von der Redaktion geändert). Ein leichtes Leben hatte der 78-jährige Regensburger laut eigener Aussage noch nie. Dass innerhalb von vier Jahren seine Frau und eines seiner Kinder gestorben sind, seine Zehen abgenommen werden mussten und ein Behandlungsfehler den Rentner nun knapp 3000 Euro kosten soll, hat ihn aus der Bahn geworfen – sodass er nun Hilfe bei der Caritas Regensburg sucht.

Wenn Müller vom Angeln und seinen Fischen redet, blüht er auf. In seinem Wohnzimmer stehen seine „Schätze“: Angeln und zahlreiche Pokale. Im Schrank daneben hat er einen anderen Schatz platziert. „Hier stehen die Sterbekarten meiner Frau und Tochter“, sagt er und zieht sie vorsichtig hervor. Anfang 2019 sind die beiden innerhalb von sechs Wochen gestorben. „Ich war Monate vorher mit ihnen im Krankenhaus zur Vorsorgeuntersuchung. Dort hieß es plötzlich fortgeschrittener Bauchspeicheldrüsenkrebs bei beiden.

Seit über vier Jahren lebt Müller allein in einer Wohnung, die er sich kaum leisten kann. Von seiner 1450 Euro hohen Rente muss er über 1000 Euro monatlich an Miete zahlen. Zusätzlich erhält er 60 Euro Wohngeld – ein Witz, wie Müller findet. „Ich war schockiert, als ich den Bescheid gesehen habe“, sagt er. Ein Einspruch blieb erfolglos, dem Rentner steht nicht mehr finanzielle Unterstützung zu. Ebenso erfolglos war die Suche nach einer neuen, billigeren Wohnung. „Ich habe mein Leben lang gearbeitet, viel bleibt mir davon jetzt aber nicht mehr“, sagt Müller und schüttelt den Kopf. Um genau zu sein, 465 Euro, abzüglich Nebenkosten.

Dem 78-Jährigen ist es wichtig zu betonen, dass er nicht jammern will. Vielen Leuten gehe es schlechter. Mit der Mieterhöhung, den Nachzahlungen bei Wasser und Strom sowie der Inflation kommt Müller dennoch an seine bereits eng gesteckten Grenzen. Aufgrund von Spätfolgen seiner Arbeit im Betonbau mussten ihm im Ruhestand mehrere Zehen abgenommen werden. „Weit laufen kann ich eh nicht, aber auch Schuhe sind mit einem Mal deutlich teurer geworden“, erzählt er.

Zwei Schneidezähne stark verletzt

Was Müller jedoch seit Juni größere Geldsorgen bereitet, ist ein Kostenvoranschlag für eine Zahnbehandlung. Bei einer Magenspiegelung unter Narkose wurde ihm beim Einführen des Schlauchs ein Backenzahn ausgebrochen. Zwei Schneidezähne wurden derart verletzt, dass sie kurz nach der Untersuchung ebenfalls ausfielen.

Eigentlich ein klarer Fall für den Versicherungsschutz des Krankenhauses. Doch dieser greift nicht, weil der 78-Jährige vor dem Eingriff die Ausschließung des Arzt-Haftungsrechts unterschrieben hatte. Das Krankenhaus lehnte die Haftung daraufhin ab und Müller bleibt auf dem Schaden sitzen. Laut Zahnarzt entstehen für den Rentner rund 3000 Euro an Kosten. „Der Arzt meinte auch, dass sowas öfter passiert und man sich damit abfinden muss“, sagt er. Ein Härtefallantrag zur Kostenübernahme hat die Krankenkasse im August abgelehnt. Ohne Schneidezähne kann Müller daher nur weiche Nahrung zu sich nehmen.

Angeln, Tochter besuchen und gemeinsames Essen

Beim Trinken rollen Kaffeetropfen mittig die Tasse hinunter: „Es ist nicht einfach“, sagt Müller. Der 78-Jährige würde so gerne einfach angeln, seine Tochter besuchen und mit ihr zusammen Fisch essen können – ohne ihn zuvor pürieren zu müssen.