Wenn das Geld für Lebensmittel nicht reicht

Brücke zwischen Armut und Überfluss - Tafel hilft Bedürftigen und ist auf Spenden angewiesen

Die Tafel-Kunden sind dankbar über jedes Lebensmittel, das sie bekommen. Wenn es auch manchmal nicht viel ist, hilft es doch sehr. Foto: Petra Schneider

Von Petra Schneider

Moosburg. Donnerstag ist Ausgabetag. Dann stehen seit 8 Uhr Menschen in Gruppen mit ihren Stoffbeuteln und Einkaufstrolleys im Freien vor der verschlossenen Tür und warten, dass sie sich öffnet – die Tür zur kleinen Halle, in der die Moosburger Tafel Lebensmittel und Hygieneartikel an Bedürftige austeilt. Jede Woche sind es über 200 Erwachsene und mehr als 150 Kinder, die zu versorgen sind. Die Leben dieser Menschen verliefen anders, als sie es sich einmal vorgestellt haben. Oftmals stehen sie in der Kälte für etwas Obst, Käse, Wurst, Babybrei und sind froh, dass es die Tafel mit ihren ehrenamtlichen Helfern gibt.

Hans Schuhbauer ist seit 2014 auf die Tafel angewiesen. Seitdem bezieht er Erwerbsminderungsrente und bekommt Grundsicherung. Früher war er Schulhausmeister in Berlin, 2011 zog er mit seiner Frau nach Moosburg. Erst hatte er noch als Packer in Kirchheim gearbeitet, dann zwangen ihn verschiedene Krankheiten, die Erwerbsunfähigkeitsrente zu beantragen. Auch mit der kleinen Rente seiner Frau reicht es nicht, den Lebensunterhalt ohne weitere Unterstützung zu bestreiten. Für die Wohnung sind jeden Monat 800 Euro fällig, eine günstigere Wohnung hat Schuhbauer bislang nicht gefunden.

Seine Frau ist bereits seit Jahren stark depressiv, verlässt die Wohnung kaum noch. Von seiner Tochter kann und würde Hans Schuhbauer keine Unterstützung annehmen. Sie ist alleinerziehende Mutter und muss selber schauen, wie sie finanziell den Lebensalltag bewältigt. Für den 64-Jährigen ist die Tafel Moosburg ein Segen. „Auch wenn es manchmal nicht viel gibt, es hilft trotzdem.“

Chrystyna Kolesnik (Name v. d. Red. geändert) ist vor eineinhalb Jahren wegen des Krieges in der Ukraine geflüchtet. Sie lebt mit ihren beiden Söhnen, 17 und 12 Jahre alt, in einer Unterkunft in Moosburg. Sie kommt aus der ukrainischen Stadt Odessa, die immer wieder massiven russischen Angriffen ausgesetzt ist. Ihr Mann kämpft als Soldat im Krieg. Einziger Kontakt zu ihm ist das Smartphone. Chrystyna Kolesnik muss den Kindern nicht nur den Vater ersetzen, sie muss ihnen in der Not und inmitten all der Sorgen Zuversicht geben. Die 45-Jährige ist dankbar, dass es die Tafel in Moosburg gibt. Jede Woche stellt sie sich bei Wind und Wetter für Lebensmittel an. Für sie ist es in der Schwere ihrer derzeitigen Lage eine Erleichterung, diese Hilfe zu erhalten.

Die Tafel, sie ist eine Brücke zwischen Armut und Überfluss. Unterstützt wird sie von Geschäften und Filialmärkten, die nicht mehr verkäufliche, abgeschriebene Ware abgeben. Dazu ist sie auch sehr auf Privatpersonen angewiesen, die Lebensmittel spenden. Genauso weiß sie jede Spendenaktion von Einrichtungen wie Kindergärten und von Vereinen zu schätzen.

Es geht nicht ohne Geldspenden

Die erste Tafel in Deutschland wurde 1993 in Berlin von der Initiativgruppe Berliner Frauen e. V. gegründet. Ein Vortrag über die Situation von Obdachlosen der damaligen Sozialsenatorin Ingrid Stahmer hatte die Frauen aufgerüttelt. Sie wollten den Obdachlosen helfen. Ein Mitglied der Gruppe hatte die entscheidende Frage gestellt: Warum nicht das Konzept der New York City Harvest auf Deutschland übertragen? Der Gedanke, Lebensmittel einzusammeln, die nach Marktprinzipien „überschüssig“ sind, und diese an bedürftige Menschen weiterzugeben, schien einfach und sinnvoll.

Mittlerweile sind es mehr als 960 Tafeln in ganz Deutschland, eine davon ist die Moosburger Tafel unter der Trägerschaft des BRK-Kreisverbandes Freising und dem Caritas-Zentrum Freising. Bedürftige Menschen erhalten gegen Nachweis bei der Caritas-Bezirksstelle einen Tafel-Ausweis. Die Leitung in Moosburg hat seit der Eröffnung im Jahr 2007 Julia Schmidbauer. Woche für Woche organisiert sie das Abholen von Lebensmitteln, das Einräumen der Regale, die Ausgabe und ist froh, ein engagiertes ehrenamtliches Team hinter sich zu haben. Ohne dieses geht es nicht. Und mittlerweile geht es auch nicht mehr ohne Geldspenden. Die Tafeln müssen Lebensmittel zukaufen. „Das war nicht die eigentliche Idee der Tafel“, sagt Schmidbauer. Aber Lebensmittel seien teurer geworden, die Supermärkte würden mit weniger Ware in ihren Regalen kalkulieren. Damit bleibe weniger für die Tafel übrig. Dabei würde die Zahl der Tafel-Kunden jedoch steigen. Donnerstags bei der Ausgabe an die Bedürftigen passiert es immer wieder, dass Lebensmittel vorzeitig ausgehen, so manche Nachfrage bleibt dann unerfüllt. „A Wurst und a Stück Butter, mehr gibt’s heit net, tut mir leid“ – bei der Ausgabe an der Kühltheke müssen die Ehrenamtlichen besonders im Blick haben, wer wie viel bekommen kann, damit es möglichst für alle an diesem Tag reicht.

Julia Schmidbauer führt eine Liste, wer wie oft kommt. Sieben Tafel-Kunden sind seit Eröffnung der Moosburger Tafel dabei. Seit 16 Jahren. Einer der Bedürftigen hat die Tafel bereits an fast 700 Donnerstagen aufgesucht. Je näher das Ende eines Monats rückt, desto mehr Menschen kommen, um sich Lebensmittel zu holen, weil das Geld bis zum Ende nicht ausreicht, um sich mit eigener finanzieller Kraft zu versorgen. Für die wöchentliche Abholung zahlen die Tafel-Kunden symbolisch einen Euro. „Manchmal können sie diesen einen Euro nicht aufbringen. Sie bringen ihn dann das nächste Mal und sind ganz stolz darauf“, erzählt Schmidbauer. Auch nach 16 Jahren geht so ein Ausgabetag nicht emotionslos an Julia Schmidbauer vorbei. Wenn um 12 Uhr das Ende erreicht ist, dann ist erst mal wieder eine Woche Pause – Zeit, etwas Abstand zu gewinnen, bis wieder die Menschen am Donnerstag warten und hoffen, dass es wieder etwas für sie gibt, vielleicht eine Banane, einen Joghurt, ein Stück Butter, etwas Süßes für die Kinder.