Es gibt immer mehr Bedürftige

Jeden Donnerstag öffnen die Malteser in Straubing ihre Tafel und geben Lebensmittel aus. Dabei helfen Ehrenamtliche, die mit ihrer Arbeit einen noch viel wichtigeren Beitrag leisten

Franz Christowiak (3.v.l.), Leiter der Tafel, und Thomas Wagner (r.), stellvertretender Beauftragter des Malteser Hilfsdienstes in Straubing, mit ehrenamtlichen Helferinnen. Foto: Sophie Schattenkirchner

Straubing. Die Tafel an der Johannes-Kepler-Straße hilft Bedürftigen – möglich ist das jedoch nur, wenn viele Menschen die Einrichtung unterstützen. Der Strom für die Kühltheke, das Benzin für die Sprinter, die die Lebensmittel einsammeln: Das alles muss bezahlt werden. Ein Gespräch mit Franz Christowiak, Leiter der Tafel, und Thomas Wagner, stellvertretender Beauftragter des Malteser Hilfsdienstes in Straubing.

Straubinger Tagblatt: In den Artikeln über unsere Benefizaktion „Freude durch Helfen“ berichten wir in diesem Jahr sehr viel über Tafeln in der Region. Warum ist gerade hier Unterstützung so wichtig?

Franz Christowiak: Wir haben aktuell 1642 Bedürftige. Knapp die Hälfte davon sind Menschen aus der Ukraine, aber auch aus Syrien, aus Afghanistan. Wöchentlich werden es bis zu 15 Menschen mehr. Das kann an familiären Umständen liegen, an Krankheit. Erst vor Kurzem habe ich einen sehr gravierenden Fall erlebt.

Was ist passiert?

Christowiak: Eine 60-jährige Frau kam zu uns. Sie hatte schon lange einen Berechtigungsschein, nutzte ihn aber nicht, weil sie sich geschämt hat. Ihre beste Freundin hat sie schließlich überredet. Wir waren mit unserer Donnerstagsausgabe eigentlich schon fast fertig, da stand sie da. Sie hat sehr wenig Rente, knapp 700 Euro, davon bezahlt sie 520 Euro Miete. Sie hat mir erzählt, dass sie pro Woche 28 Euro zum Leben hat. Wir haben ihr also ein Körberl zamgerichtet. Als wir es ihr gegeben haben, hat sie mich am Arm festgehalten. Sie hat geweint, richtig gezittert. Sie war so dankbar. Ich dachte, sie bricht zusammen. Ich bin mit ihr ein paar Schritte weg von der Tafel gegangen, hab sie beruhigt. So etwas geht mir schon sehr nah.

Thomas Wagner: An diesem Beispiel sieht man: Bei der Tafel geht es nicht nur um das Einsammeln und Austeilen von Lebensmitteln. Die Helfer hören ganz viel zu. Es ist wichtig für die Bedürftigen, ihre Probleme schildern zu können. Und die Zahl der Bedürftigen steigt weiter, was unter anderem an den gestiegenen Energiepreisen liegt.

Die Zahl geht also nach oben?

Christowiak: Ja. Ich habe große Bedenken, dass es in der nächsten Zeit noch viel mehr Menschen trifft.

Die Tafel erhält traditionsgemäß Spenden von Discountern, Supermärkten, Firmen. Unter der Energiekrise leiden aber alle. Ist es bei den Spenden auch einmal zu Engpässen gekommen?

Christowiak: Vergangenes Jahr im Herbst sind die Waren tatsächlich ein bisserl knapp geworden. Ich bin dann zu unseren Zulieferern, wie ich sie nenne, gefahren, und habe mit den Geschäftsführern gesprochen. Das kam gut an, der persönliche Kontakt ist wichtig. Dadurch war unsere Tafel immer gut versorgt. Das ist keine Selbstverständlichkeit. Ich habe mir vor vier Jahren eine Tafel in Neukölln in Berlin angesehen, die Leiterin musste um ihre Lebensmittel direkt betteln. Da läuft es bei uns im Vergleich wirklich sehr gut.

Anfang Dezember haben Sie wieder eine Kindertafel veranstaltet.

Christowiak: Zwei meiner Kolleginnen haben die Kindertafel ins Leben gerufen. Die Kinder von Menschen, die einen Bezugsschein haben, dürfen kommen und können sich Kleidung, Malsachen oder Spielzeug aussuchen. Das ist im vergangenen Jahr sehr gut angekommen. Ich erinnere mich noch an ein kleines Mäderl aus der Ukraine, das hat uns als Dankeschön ein Lied vorgesungen. Das war sehr berührend.

Wagner: Mich freut besonders, dass die Malteser Jugendgruppe wiederbelebt wurde und sich hier sehr engagiert. Es ist toll zu sehen, wie sehr sich die ehrenamtlichen Helfer einsetzen, wie alles ineinandergreift – und so der Grundsatz der Malteser gelebt wird. Wir sind stolz auf unsere Helfer, sind aber immer auf der Suche nach weiteren.

Seit wann gibt es eigentlich die Tafel?

Christowiak: Die ersten Tafeln gab es in den 1980er-Jahren in Berlin. Die Idee dazu kam aus den USA. Dort erhalten Obdachlose so ihr Essen. Arbeitslosigkeit gibt es auch bei uns, dazu kommen private Schicksalsschläge. Die Behörden haben die Bedürftigen zu uns geschickt, so ging’s los. Die Tafel der Malteser in Straubing gibt es seit rund 20 Jahren.

Was müsste sich denn ändern, damit die Zahl der Bedürftigen abnimmt?

Christowiak: Das ist eine rein politische Sache. Es gibt einfach Menschen, die arbeiten 40 Jahre lang, am Schluss haben sich nach Abzug aller Fixkosten noch 300 Euro im Monat zum Leben. Das ist hart. Ich glaube schon, dass die Inflation wieder runtergeht. Dennoch wird die Zahl der Bedürftigen weiter zulegen.

Interview: Sophie Schattenkirchner