Freude durch Helfen

Alleine und ohne Aufgabe

Marita K. kämpft mit ihrer kleinen Rente und der Einsamkeit. Die 78-Jährige muss mit 850 Euro im Monat auskommen, das Geld reicht nicht einmal für eine warme Wohnung

Marita K. sitzt am Esstisch in ihrer Zweizimmerwohnung Foto: Anna Obermeier

Von Anna Obermeier

Landkreis Landshut. Marita K. (Name von der Redaktion geändert) zeigt auf ein Tischchen in ihrem Wohnzimmer, neben der Küche. Darauf aufgebaut mehrere Sterbebilder und Kerzen. Auch ihr Mann ist auf einem Bild zu sehen – er verstarb 2019. „Als mein Mann noch lebte, war es deutlich leichter“, sagt sie, und wischt sich über die Augen. Gemeinsam zogen sie vier Kinder groß. Marita K. kümmerte sich zuhause um die zwei Mädchen und zwei Jungen. Eine ihrer Töchter ist schwerbehindert und sitzt im Rollstuhl, ihre Mutter unterstützte sie deshalb fest. Heute lebt die Tochter bei ihrer Schwester, das könne sie finanziell gar nicht stemmen, sagt die 78-Jährige aus dem Raum Landshut.

Geboren ist die Rentnerin Mitte der 1940er Jahre in Bad Kötzting in der Oberpfalz. Ihr Vater ist im Krieg gefallen und die Mutter musste die sieben Kinder im Nachkriegsdeutschland alleine durchbringen. Als junge Frau arbeitete sie in einer Ski-Fabrik. Später dann für eine Stuttgarter Firma. Einen Beruf erlernte sie damals nicht. In Landshut lernte sie ihren Mann kennen. Er hielt die Familie mit Hilfsjobs über Wasser. Als die Kinder auszogen, zog K. mit ihrem Partner aus Mitterwöhr weg. Die Wohnung konnten sie sich nicht mehr leisten, sie reduzierten sich auf eine Zweizimmerwohnung. Ihr Mann arbeitete zu dem Zeitpunkt für ein regionales Sozialkaufhaus.

Eine geblümte Tischdecke bedeckt den Esstisch in der Küche. Marita K. sitzt mit dem Rücken zum Fenster. Links von ihr eine kleine Küchenzeile, frisch gespültes Geschirr stapelt sich und alles ist sauber geputzt. „Das ist mir wichtig, es darf nichts rumliegen, alles muss sauber sein,“ erklärt sie.

Lediglich 850 Euro stehen ihr zur Verfügung – aus Rente und Witwenrente. Davon müsse sie 360 Euro alleine für die Miete zahlen. Heizung und Strom kommen noch dazu. Das Geld reiche oft nicht, am Wochenende werde sie wahrscheinlich wieder im Kalten sitzen. Die schnelle Unterstützung von der Caritas habe sie schon einmal davor bewahrt, erzählt K. Mit dem Stromzähler im Keller lasse sich nicht verhandeln, der Strom wurde ihr auch schon gesperrt. „Am Ende bleiben mir nur 100 Euro für Lebensmittel.“ Durch die Inflation bekomme sie dafür immer weniger, sagt K. Verzichten muss sie auf Obst, Gemüse und ihre geliebten Süßigkeiten. „Meistens esse ich Brot, Butter und Aufschnitt.“

Sie greift hinter sich auf das Fensterbrett und fischt nach einem großen roten Geldbeutel. Öffnet ihn und zeigt den Inhalt – leer. „Ich hab nichts mehr über bis Ende des Monats.“ Die Nachbarin habe ihr am Vortag eine Leberknödelsuppe vorbeigebracht, das sei eine willkommene Abwechslung. „Oft sitze ich da und weine“, sagt die Rentnerin. „Mit dem gespendeten Geld kaufe ich mir einen Kühlschrank mit Gefrierfach“, sagt K. Der sei vor einiger Zeit kaputt gegangen, aktuell hat sie einen von ihrem Sohn geliehen. Ihren Kindern geht es finanziell auch nicht gut, sie können ihr nicht unter die Arme greifen. Um nicht in der Einsamkeit zu versinken, geht sie täglich spazieren, eine Fahrkarte für den Bus kann sie sich nicht mehr leisten. Kraft gebe ihr der Glaube: „Ich gehe zwar nicht oft in die Kirche, aber bete daheim viel.“ Das tägliche Vaterunser beruhige sie.

„Ich liebe Weihnachten“, betont Marita K., ihre Wohnung glitzert Anfang November schon in vielen Ecken. Die Dekoartikel besitzt sie schon seit ein paar Jahren oder bekam sie geschenkt. Doch nicht nur Freude begleitet die Weihnachtszeit. „Ich kann meinen Enkelkindern nicht mal, was zu Weihnachten kaufen, das tut weh.“ Weihnachten werde sie wahrscheinlich bei ihrem Sohn mit Familie verbringen, er wohnt in ihrer Nähe. Ihre Tochter mit Kindern wohnt in der Oberpfalz, ein Besuch ist für sie jedoch nicht denkbar. Marita K. kann sich das Bahnticket nicht leisten. Sie telefoniert regelmäßig mit ihren sechs Enkeln. Am Abschlussball der Enkelin kann die Großmutter nur durch Erzählungen teilhaben. Mit fahrigen Händen streicht sie über die Tischdecke. „Ich fühle mich so einsam.“ Sie senkt den Kopf und schaut auf ihre Hände.