Von Elisabeth Geiling-Plötz
Cham . Die derben Sprüche über Bürgergeld und Hartz IV-Bezug treffen Stefanie Müller. „Da reden welche, die nicht wissen, wie es ist, am Existenzminimum zu leben.“ Stefanie – ihren wirklichen Namen will sie lieber nicht in der Zeitung lesen – hat sich die Situation nicht ausgesucht. Sie ist nach der Lehre als Einzelhandelskauffrau vor 16 Jahren in den Leistungsbezug hineingerutscht. Nicht, weil sie keine Lust auf Arbeit hatte, sondern weil sie nicht Vollzeit arbeiten kann. Ihr großer Risikofaktor: „Meine drei Jungs.“ Lukas Schmidtler, bei der Caritas im Landkreis Cham für die allgemeine Sozialarbeit zuständig, kennt viele solcher Geschichten. „Alleinerziehende haben ein sehr hohes Armutsrisiko. Und das steigt mit jedem Kind…“
Der Fall der 37-jährigen Mutter ist „ganz typisch“, sagt Schmidtler. Er seufzt: „Männer sind bei uns leider immer noch in der stärkeren Position. Sie haben meist den höheren Verdienst, können sich einen Anwalt leisten oder setzen Klauseln im Ehevertrag fest. Und wenn sie nach der Trennung keinen Unterhalt zahlen wollen, macht man es ihnen immer noch viel zu leicht, dass sie damit durchkommen.“
Stefanie nickt. Ihre Geschichte klingt ähnlich. Sie hat ihre Lehre gerade beendet, als sie schwanger wird. Ihr erster Sohn kommt zur Welt, zwei weitere folgen. Ohne Mann an der Seite schlägt sich Stefanie durch, kümmert sich um ihre Kinder und hat nebenbei diverse Mini-Jobs. „Ganz lange haben wir von Hartz IV gelebt“, erzählt sie. „Ich bin total froh, dass es die Grundsicherung gibt.“
Ausflug ins Eiscafé gibt es nur einmal im Sommer
Auch wenn es oft genug schwer ist, sich in dem streng reglementierten System zurechtzufinden und den Ansprüchen der diversen geldgebenden Stellen gerecht zu werden. Denn was sie sich beispielsweise über Nebenverdienste erarbeitet, wird ihr vom Satz wieder abgezogen. Doch zumindest gibt es ein Bildungspaket, das für Mittagessen in der Kita reicht oder um die Schulausflüge ihrer Jungs zu bezahlen.
Ihre Söhne kennen es nicht anders. „Eigentlich stecken sie die Situation gut weg“, urteilt Stefanie. Die Buben tragen klaglos die Pullis der Brüder auf oder ziehen Schuhe aus der Kleiderkammer an. Und meckern nicht einmal, wenn es nicht spontan ins Eiscafé geht. „Das gibt’s bei uns nur einmal im Sommer“, macht Stefanie ihren Alltag deutlich. Nur manchmal staunen ihre Buben über die Geschenkeberge, die andere Kinder an ihren Geburtstagen auspacken können. Und dann erzählt die Dreifach-Mama lachend vom Wunschzettel des vergangenen Jahres. „Da sagte mein Kleiner zu mir, dass er sich die Spielkonsole nicht zum Geburtstag wünscht, weil wir doch kein Geld haben, sondern vom Christkind. Das habe schließlich kein Preislimit.“
Seit kurzem fand Stefanie wieder Arbeit. Zuvor hat sie eine Umschulung zur Kinderpflegerin gemacht. Nun arbeitet sie Teilzeit, um nachmittags bei den Buben zu sein. Zum Leben für vier Personen reicht ihr Verdienst aber nicht aus, Stefanie muss weiterhin zum Amt und Unterstützung für die Miete beantragen. An anderes denkt sie gar nicht. Urlaub? „War ich noch nie“, schüttelt sie den Kopf, „nur einmal auf Mutter-Kind-Kur.“ Ersparnisse für Unvorhergesehenes? Es bleibt im Monat nichts übrig, das man auf ein Sparbuch legen könnte. Und so bringen sie immer noch vermeintliche Allerweltsanschaffungen an den Rande der Verzweiflung. So wie jetzt: Waschmaschine und Trockner haben den Geist aufgegeben, die Söhne bräuchten einen Laptop für die Schule. „Das ist einfach zu teuer“, bedauert sie. Die Scheu, dass sie Hilfe von Fremden annimmt, hat sie längst verloren. „Ich bin auch schon zur Tafel gegangen, wenn das Geld nicht mehr gereicht hat.“ Sie hat für sich akzeptiert, dass sie Hilfe braucht, solange sie nicht in Vollzeit arbeiten kann.