Die Regensburgerin Andrea Adlhardt hatte eine schwere Kindheit. Später erkrankte sie an Krebs, kämpft mit Rheuma. In diesem Sommer rutschte sie in die Obdachlosigkeit
Von Anna Obermeier
Regensburg.
Mitten auf dem Alten Kornmarkt steht ein Bücherstand mit rot-weiß gestreiftem Dach. In den Auslagen des Lädchens finden sich gebrauchte Bücher, DVDs und CDs. Dahinter sitzt neben der Heizung Andrea Adlhardt. Seit eineinhalb Jahren geht sie stundenweise hier ihrem ehrenamtlichen Job als Bücherverkäuferin nach. Sie hat schwere Zeiten hinter sich.Geboren ist die 52-Jährige im Landkreis Schwandorf. Dort lebte sie mit ihren Eltern und dem Bruder. Als sie 13 Jahre alt war, trennten sich ihre Eltern und sie zog mit ihrer Mutter und dem Geschwisterkind in den Landkreis Regensburg. Ihr Aufwachsen sei geprägt gewesen von der Gewalttätigkeit ihres alkoholabhängigen Vaters, sagt Adlhardt.„Immer, wenn er betrunken war, war er total aggressiv und schlug mit allem, was er fand, auf die Mutter ein.“ Vor den Augen der Kinder habe er die Frau einmal sogar krankenhausreif geschlagen. Im Krankenhaus habe der Arzt zu ihr gesagt, sie solle ihre Mutter aus der Partnerschaft rausholen, erinnert sich Andrea Adlhardt. Da war sie noch ein Teenager.
Mit 30 konnte sie nicht mehr arbeiten gehen
1989, mit 17 Jahren, begann sie in Regensburg eine Ausbildung zur Metzgereifachverkäuferin. Danach arbeitete sie bei einem Discounter hinter der Wurst- und Fleischtheke. „Das waren schöne Jahre, so jung und endlich mit bisschen Geld auf der Hand“, sagt Andrea Adlhardt.Sie machte ihren Führerschein, fuhr ein eigenes Auto. Pizza essen gehen mit Freunden, „auf der Pisten sein“ und zum Teil erst früh morgens heimkommen. „Bei uns war es meistens gemütlich, aber wir hatten unsere Gaudi“, erinnert sich die 52-Jährige lächelnd. Mit 30 ging es ihr dann gesundheitlich immer schlechter. Zu ihrer angeborenen Skoliose, einer Verkrümmung der Wirbelsäule, machte ihr das Rheuma, das sie in jungen Jahren bekam, Schwierigkeiten.
Die Belastungen ihres Jobs waren zu viel. Deshalb erhielt sie eine Erwerbsminderungsrente – vorerst befristet auf drei Jahre, dann bis zu ihrem Renteneintritt. Dann erkrankten beide Elternteile schwer an Demenz. Andrea Adlhardt unterstützte sie, so gut es ging, mit Behördengängen, Besorgungen und Besuchen im Altenheim. Der nächste Tiefschlag folgte 2020: Andrea Adlhardt bekam die Diagnose Krebs und musste in der Corona-Pandemie lange auf einen OP-Termin warten, wie sie sagt. Da zu dieser Zeit nur akute Notfälle behandelt wurden, bekam sie starke Medikamente und wurde vertröstet, erzählt sie. „Ich hab’ solche Schmerzen gehabt, das war nur mit vielen Medikamenten auszuhalten.“ Meistens sei sie allein in der Wohnung gewesen, ihr Telefon als einziger Kontakt zur Außenwelt.
Sie schläft auf einem Provisorium aus Paletten
Wenige Zeit nach ihrem lang ersehnten Termin im Krankenhaus starb ihr Vater. Die Mutter war bereits zwei Jahre davor gestorben.In diesem Jahr kam es dann zu Unstimmigkeiten mit ihren Vermietern, letztlich musste sie ihre Wohnung verlassen. „In der Zeit haben mich der Reinhard Kellner vom Projekt Sofa und der Mieterverein sehr unterstützt“, sagt sie. Durch den Verlust der Wohnung wurde Andrea Adlhardt für zwei Monate obdachlos. Sie kam nächteweise bei Bekannten unter und hangelte sich so durch. Trotz der harten Zeit wirkt die 52-Jährige nicht traurig oder verbittert, oft hat sie im Gespräch ein Lächeln auf den Lippen.Am 1. September fand sie eine neue Bleibe in Regensburg, eine Einzimmerwohnung. In der Wohnung gibt es eine gebrauchte Küche und einen alten Tisch, für weitere Möbel fehlt Andrea Adlhardt das Geld. Aktuell schläft sie auf einem Provisorium aus Paletten.Auch die Glastür der Einzimmerwohnung hinaus zum Balkon braucht dringend eine Reparatur, es zieht kalt in die Wohnung. Froh ist Andrea Adlhardt aber sehr, zumindest „wieder ein Dach über dem Kopf zu haben.“