Unterschlupf für geschundene Frauen

Diakonie Cham bietet Opfern von Gewalt Rat und neuerdings auch eine Schutzwohnung

Obwohl die beiden Frauen jeden Cent zweimal umdrehen und sparen, wo es nur geht, reicht das Geld nicht mehr, um den Lebensunterhalt zu bestreiten. Symbolfoto: Jens Kalaene/dpa

Von Elisabeth Geiling-Plötz

Cham . Wer Johanna Gruber länger zuhört, wundert sich, dass es Schutzwohnung und Beratungsstelle für von Gewalt betroffene Frauen im Landkreis Cham nicht schon viel länger gibt. Doch die stark frequentierte Anlaufstelle in der Chamer Innenstadt ist gerade einmal ein Jahr alt. Ein Jahr, in dem viel passiert ist. 55 Frauen haben Hilfe bei den drei Mitarbeiterinnen der Beratungsstelle unter der Trägerschaft der Diakonie gesucht. Wobei es beileibe nicht nur um Zuhören und gute Worte ging. Teils war ganz praktisches Zupacken gefragt. Dann etwa, wenn die Frau zu verunsichert war, um ihren Umzug in die Schutzwohnung alleine zu bewerkstelligen. Und eines ist immer knapp: Geld. „Wir sind auf Spenden angewiesen“, betont Gruber, Geschäftsführerin des Diakonischen Werkes Cham-Regen.

Diakonie ist auf Spenden angewiesen

Von Staat und Landkreis Cham gibt es Zuschüsse, werden die Miete für die Schutzwohnung erstattet. Doch die Diakonie als Träger muss 10 000 Euro selbst aufbringen. Ein schwieriges Unterfangen für Gruber, deren Dienst komplett auf Spenden angewiesen ist. „Für 2023 haben wir die Summe beisammen, für 2024 fehlt noch einiges“, hat Gruber den Überblick über die Finanzen des örtlichen Wohlfahrtsverbandes unter dem Dach der evangelischen Kirche.

Seit Dezember 2022 gibt es die Fachberatungsstelle in Cham. Die Anfangszeit war schwierig. Erst ging es darum, das nötige Fachpersonal aufzutun. Drei Mitarbeiterinnen teilen sich nun zwei Vollzeitstellen. Auf diese Weise ist einerseits sichergestellt, dass das Büro tagsüber besetzt ist. Andererseits aber auch, dass „sich das Personal nicht verschleißt“. Denn die Lebensgeschichten, die die Mitarbeiterinnen zu hören bekommen, belasten. „Es ist unvorstellbar, wie lange manche Frauen die Gewalt erdulden“, wundert sich auch Gruber.

Die Gründe, warum sie Wutausbrüche, Schläge, Unterdrückung teils über Jahrzehnte ertragen, sind unterschiedlich. „Manche Betroffene wahrt die Fassade einer heilen Welt nach außen und will es weder sich noch ihrer Umwelt eingestehen, dass sie Opfer von Gewalt ist“, erzählt Gruber. Denn die Vorstellung, dass Prügel nur in Familien in prekären Verhältnissen passieren, ist falsch. „Das kommt in allen Schichten vor. Leider.

Versteckte Pässe und die vermeintlich heile Welt

In was sich aber viele Lebensgeschichten ähneln, ist eine gewisse Abhängigkeit, in die die Frauen geraten sind. Gruber erzählt von Betroffenen, die nicht einmal Zugriff auf ihren Pass haben. Die Täter gehen subtil vor und verstecken alle wichtigen Dokumente – von der EC-Karte bis zum Krankenversicherungsnachweis. Sich aus dieser Umklammerung zu befreien, ist doppelt schwer. Vor allem, wenn die Frauen nicht selber berufstätig sind und folglich kein eigenes Einkommen haben.Und trotzdem reift bei vielen irgendwann der Entschluss, aus der Situation auszubrechen. Der Griff zum Telefon und der Anruf bei der Beratungsstelle ist der erste Schritt. Wie der Weg dann weitergeht, darüber reden die Diakoniemitarbeiterinnen mit den Betroffenen. Es sind stets ergebnisoffene Gespräche, wie Gruber versichert. „Wir überreden niemanden, zu gehen“, betont sie. Die Entscheidung über das weitere Vorgehen haben einzig und alleine die Frauen.

Will die Frau den Neuanfang, dann hilft die Diakonie bei diesem Schritt. Teils sogar ganz praktisch. Denn die Betroffenen sind in einer psychischen Ausnahmesituation. „Sie warten, bis der Partner in der Arbeit ist und raffen ihre Sachen zusammen“, erzählt Gruber aus dem Alltag. Da einen klaren Kopf zu behalten, die wichtigen Dinge in die Tasche zu packen, ist ohne Hilfe kaum zu schaffen.

Bis zu drei Monate können die Frauen und ihre Kinder in der Schutzwohnung bleiben. Zeit, um sich zu sortieren und das Leben neu aufzurichten. Wo die Wohnung zu finden ist, ist geheim. Nur die Polizei kennt neben den Diakonie-Mitarbeiterinnen noch die Adresse. Denn im Akutfall greifen auch die Beamten auf den sicheren Unterschlupf zurück und bringen Gewaltopfer dorthin. Allerdings: „Seit Februar sind die Räume ohne Unterbrechung belegt.“ Weitere Schutzwohnungen wären im Landkreis also durchaus wünschenswert, würden aber die finanziellen Möglichkeiten des Verbandes übersteigen. Gruber ist schon froh, wenn sie die jetzigen Angebote für die geschlagenen Frauen finanzieren kann.