Von Hans Reimann
Straubing-Bogen.
Für Lisa Meier (Name von der Redaktion geändert) wird es jeden Monat finanziell eng, doch die alleinerziehende Mutter dreier Kinder kommt über die Runden – geradeso. Damit das überhaupt funktionieren kann, darf nichts Unvorhergesehenes dazwischenkommen. Doch genau das passierte: Im Juli hat die Mutter mit ihrem ältesten Sohn einen Verkehrsunfall. Sie haben Glück und kommen mit dem Schrecken davon, doch das Auto ist ein wirtschaftlicher Totalschaden – und damit ein weiterer Rückschlag für den ohnehin knappen finanziellen Spielraum der Familie.
„Wenn der Unfall nicht gewesen wäre“, setzt die junge Mutter an, doch sie bricht ab. Sie ist frustriert und wütend, dass ein „banaler Blechschaden“ dazu geführt hat, dass sie ohne Auto da steht und auf Hilfe angewiesen ist. Doch ohne Auto geht es auf dem Land nicht, denn der öffentliche Nahverkehr fährt nur selten und die nächste Bushaltestelle ist 30 Minuten zu Fuß entfernt. Meier hat zwar ein Fahrrad, aber Besorgungen wie das Einkaufen oder Termine mit den Kindern beim Arzt sind damit unmöglich. Das Gleiche würde auch für die Fahrt zur Arbeit gelten, vorausgesetzt Meier findet eine Stelle, die mit der Kinderbetreuung vereinbar ist.
Familienhilfe hat beim Autokauf unterstützt
Es braucht also ein neues Auto. Die sind aber teuer geworden: „Ein neues vom Autohaus kann ich mir nicht leisten“, sagt Meier. „Wenn man aber das günstigste Gebrauchtauto kauft, hat man am Ende noch mehr Kosten durch die ganzen Reparaturen.“ So war es auch bei ihrem bisherigen Auto, das regelmäßig wegen Verschleiß in die Werkstatt musste.
Durch die Unterstützung der sozialpädagogischen Familienhilfe des Landratsamts Straubing-Bogen und der Sozialpädagogin Kristina Schmidbauer hat die Familie zwar schnell einen guten Gebrauchtwagen gefunden, für die Abzahlung braucht es aber noch finanzielle Hilfe: „Da haben wir dann an Freude durch Helfen gedacht“, sagt Schmidbauer, aber vorschnell um Spenden bitten, wollten beide nicht. „Man überlegt natürlich, ob es auch andere Möglichkeiten, etwa von staatlicher Seite gibt“, sagt die Sozialpädagogin und ist sichtlich enttäuscht, dass es die nicht gibt. So bleibt für die junge Familie nur auf die Spendenbereitschaft der Mitmenschen zu hoffen.
„Ich schäme mich, dass ich etwas brauche“
Mit dem neuen Auto braucht es aber auch noch einen neuen Satz Winterreifen, denn die vom vorherigen Auto passen nicht. „Das sind dann nochmal mehrere Hundert Euro“, sagt Meier, die nicht weiß, woher sie das Geld dafür nehmen soll. Mit dem fahrbaren Untersatz ist es allerdings nicht getan, denn in der Wohnung der Familie gibt es gleich an mehreren Stellen Handlungsbedarf. So werden etwa neue Küchenmöbel gebraucht, unter anderem eine Arbeitsplatte. Die bisherige ist nicht richtig eingepasst und so läuft teilweise das Wasser an der Wand hinter die Schränke. Der größte Posten dürfte aber eine neue Spülmaschine sein. Das ist kein vermeintlicher Luxus, sondern bei drei Kindern eine enorme Arbeitserleichterung.
Für die junge Mutter ist jede noch so kleine Spende ein großes Geschenk und sie ist dankbar, für die Unterstützung, die sie bereits bekommen hat. Dabei denkt sie nicht nur an finanzielle Unterstützung, sondern jedwede Hilfe bedeutet ihr viel. „Vielleicht hat jemand eine Arbeitsplatte im Keller?“, sagt sie und lacht. Genauso würde sie sich über Hilfe bei der Installation beziehungsweise beim Einbau freuen.
Und trotzdem möchte sie nicht als zu fordernd oder gierig erscheinen. „Ich schäme mich, dass ich etwas brauche“, sagt die Mutter stattdessen. Wenn es irgendwie möglich ist, versucht sie sich selbst durchzuschlagen und mit dem Bürgergeld alles Nötige zu besorgen. „Das ist nicht leicht, aber es geht.“ So schaut sie in Gebrauchtwarenläden und auf Flohmärkten nach günstigen Angeboten. Dabei ist es ihr wichtig, dass ihre Kinder den Geldmangel nicht bemerken – lieber nimmt sie sich selbst zurück und verzichtet.
„An den Kindern sieht man das nie“, bestätigt auch Schmidbauer. Wenn Meier über ihre Kinder spricht, strahlen ihre Augen – die Kleinen sind ihr Ein und Alles. Und so schläft die Mutter im Wohnzimmer, damit die zwei Buben im Alter von 14 und sieben Jahren sowie ihre vierjährige Tochter eigene Zimmer haben können. Auch an Spielzeug und Büchern mangelt es ihnen nicht. Damit das möglich ist, überlegt sich Meier genau, was sie braucht oder ob die Besorgung nicht noch warten kann.
Gang zur Tafel oft der einzige Ausweg
Trotz ihrer Sparsamkeit bemerkt sie die gestiegenen Preise bei alltäglichen Besorgungen. „Man muss ein guter Mathematiker sein“, sagt sie, gerade mit Blick auf den Wocheneinkauf und ihre Versuche, mit dem wenigen Geld auszukommen. Weil sie dabei auf gesundes Obst und Gemüse achtet und für ihre Kinder keine Fertiggerichte kaufen möchte, kommt sie finanziell immer öfter an ihre Grenzen. „Dann muss ich zur Tafel gehen“, lautet ihr einziger Ausweg, denn anderweitige Hilfe, etwa durch die Familie oder Freunde, hat Meier nicht.
Für diesen Gang schäme sich die junge Mutter oft, berichtet Schmidbauer. „Und sie macht sich Sorgen, dass sie anderen Menschen, denen es schlechter geht als ihr, die Lebensmittel wegnehmen würde.“ Für die Sozialpädagogin ist der Durchhaltewillen von Lisa Meier bemerkenswert. „Sie lässt sich nicht leicht unterkriegen und packt das an, auch wenn sie verzweifelt ist.“
Hab und Gut verkaufen, um Geld für Essen zu haben
„Es muss einfach weitergehen“, sagt die alleinerziehende Mutter pragmatisch. Und doch lässt sie die Situation nicht kalt – erst recht nicht, weil ihre Lage vor Jahren noch weitaus schlechter war, wie sie sagt. Über zwei Jahre lang bekam sie kein Bürgergeld, damals noch Hartz IV, und oft wusste sie nicht, wie sie genug Geld für Lebensmittel zusammenbekommen sollte. „Ich habe mich dann gefragt, was kann ich auf Ebay verkaufen, damit ich Essen kaufen kann.
“Ihr großer Wunsch ist es, endlich wieder arbeiten zu können, vielleicht sogar eine Ausbildung zu machen. Die größte Schwierigkeit für die junge Mutter ist es, Job und Kinderbetreuung unter einen Hut zu bringen: Da sie keine Verwandten hat, die auf die Kinder aufpassen könnten, kann sie nur zu den Betreuungszeiten arbeiten. Langes Pendeln in die Arbeit fällt damit aus, zumal sie die Kinder zur Mittagszeit wieder abholen muss.
Hinzu kommt, dass es in ihrem gelernten Beruf als Kosmetikerin gerade schwer ist, Arbeit zu finden. Meier kann sich deshalb vorstellen, etwas anderes zu machen. Was genau das sein könnte, da ist sie nicht wählerisch. „Ich habe gute Hände“, sagt sie und lacht. Besondere Freude würde sie aber im Bereich der Farbgestaltung oder Ernährungsberatung haben. Unabhängig davon möchte sie einfach wieder tätig werden. „Ich habe kein gutes Gefühl, wenn ich zuhause sitze.“
Sie brauche den Austausch mit anderen und darüber hinaus wolle sie mehr für sich und ihre Kinder erreichen. „Mir tut es leid, dass ich Hilfe annehmen muss“, sagt sie und hofft auf eine Arbeitsstelle, mit der sie ihre Familie versorgen und im besten Fall noch anderen helfen kann. Ihr größter Wunsch ist es, wieder selbstständig und nicht von anderen abhängig beziehungsweise auf staatliche Unterstützung angewiesen zu sein. „Dann habe ich alles gewonnen.“