Von Thomas Linsmeier
Furth im Wald. Ihre schöne, heile Welt gibt’s nur noch auf Fotos. „Wir hatten eigentlich alles, was sich andere in unserem Alter noch wünschen“, sagt Andrea F. und verdrückt ihre Tränen. Denn die Betonung der jungen Mutter liegt auf „wir hatten“. Ihr Lebensgefährte, zugleich Vater der beiden noch jungen Kinder, ist tot. An sich Tragödie genug. Doch dieser Schicksalsschlag bescherte ihr auch enorme finanzielle Sorgen. „Jeden Tag aufs Neue ein Kampf“, fasst Andrea F. zusammen.
Warum sie die soziale Hängematte ablehnt
Natürlich ist das nicht ihr richtiger Name. Zum einen, weil der für die Sache unwichtig ist; zum anderen, weil diese kleine Further Familie anonym bleiben soll. „Ich möchte es selber schaffen“, sagt sie. Aus diesem Grund hält die junge Frau auch nicht gegenüber dem Staat die Hand auf. Natürlich weiß sie , dass das gemeinsame Haus gefährdet wäre, wenn sie soziale Leistungen beziehen würde.
Das Sozialamt der Stadt Furth im Wald hat uns auf ihre Not, auf ihre Geschichte aufmerksam gemacht. Und die begann wie die vieler junger Paare. Man lernte sich kennen, man lernte sich lieben. Sie und ihr Partner hatten beide gute Berufe. Es kam das erste Kind, das zweite. Die junge Familie bezog ein Haus, investierte kräftig. Stellt sich nur die Frage: Warum haben nie geheiratet?
Andrea F. zuckt mit den Schultern, überlegt und meint dann mit leiser Stimme: „Mei, unsere Beziehung war halt nie einfach. Eher toxisch.“ Es habe ein Auf und Ab gegeben; und jedesmal, wenn man beinahe den Entschluss gefasst habe, zu heiraten, gab es wieder etwas, was dagegensprach. Das rächt sich nun auf bittere Weise.
Denn die junge Familie muss ohne Witwenrente auskommen. Ihr Mann ist vor Monaten plötzlich verstorben. Vom einen Tag auf den anderen stand Andrea F. mit ihren Kindern alleine da. Erspartes gibt es durch die Investitionen ins Haus nicht. Und Witwenrente gerichtlich zu erstreiten, dafür fehlt eine entsprechende Rechtsschutzversicherung und somit auch das Geld.
Schulden, marodes Auto … „es fehlt an allem“
Generell fehlt es an allem. Aus diesem Grund wird Andrea F. demnächst noch einen zweiten Job annehmen, um über die Runden zu kommen – trotz ihrer beiden noch kleinen Kinder. Zumal nun auch noch das Auto, das ebenfalls bereits einige Jahre auf dem Buckel hat, streikt. „Es fehlt halt überall. Gerade jetzt, wo alles so teuer wird“, sagt sie mit leiser Stimme. Natürlich habe die Furtherin nicht nur einmal daran gedacht, das Haus aufzugeben, wie sie betont. Doch: „Das will ich nicht wegen der Kinder.“ Denn die würden bereits sehr unter dem Verlust ihres Vaters leiden; sie seien deswegen in psychologischer Betreuung.
„Vor allem die Große war ein richtiges Papa-Deandl. Die redet nun nicht mehr viel, verschließt sich“, erzählt sie und ergänzt mit Tränen in den Augen: „Meine Kinder werden nie wieder ‘Papa!’ sagen können. Und er sieht nicht, wie sie aufwachsen.“
Auch wenn der Tod ihres Partners schon Monate zurückliegt, leichter werde es nicht, im Gegenteil: „Es wird von Tag zu Tag schwerer. Vor allem, wenn man irgendwo hinkommt und intakte Familien sieht … Man funktioniert einfach nur noch. Für meine Kinder.“ Denn ihren Durchhaltewillen hat sie trotz der anhaltend schwierigen Zeit noch nicht verloren. Mit einem Schmunzeln meint sie beinahe trotzig: „Ich denke mir immer: So etwas haben andere Leute auch geschafft. Dann schaffe ich das auch!“